Laufratgeber Schienbeinkantensyndrom: Laufen ohne Schmerzen
Was ist das Schienbeinkantensyndrom?
Um das Schienbeinkantensyndrom richtig behandeln zu können, muss man wissen, woher das Problem kommt. Das Schienbeinkantensyndrom, auch Shin Splints oder tibiales Stresssyndrom genannt, ist eine Überlastungsreaktion im Schienbein. Es handelt sich um einen Schmerz im Muskel und im Bindegewebe an der Innenseite des Schienbeins.
Anatomie
Der menschliche Unterschenkel besteht aus 2 Knochen: Schienbein und Wadenbein. Diese Knochen sitzen auf Fuß und Fußgelenk und tragen Knie, Hüften und Becken.
Beim Schienbeinkantensyndrom sind meist die folgenden Muskeln betroffen:
- Hinterer Schienbeinmuskel (musculus tibialis posterior)
- Langer Zehenbeuger (musculus flexor digitorum longus)
- Schollenmuskel (musculus soleus)
- Vorderer Schienbeinmuskel (musculus tibialis anterior)
Gemeinsam stabilisieren diese Muskeln Fuß und Fußgelenk und sorgen dafür, dass der Fuß nicht zu sehr nach innen kippt. Die ersten drei genannten Muskeln helfen dir, dich abzustoßen und vorwärts zu bewegen. Der vordere Schienbeinmuskel sorgt dagegen dafür, dass sich dein Vorderfuß beim Gehen und Laufen vom Boden abhebt.
So entsteht das Schienbeinkantensyndrom
Wusstest du, dass Knochen auf die Muskeln um sie herum reagieren, indem sie „wachsen“? Durch dein Training werden also nicht nur deine Muskeln größer und stärker, sondern auch deine Knochen.
Der Grund hierfür ist der sogenannte Knochenumbau. Deine Knochen stoßen ständig alte oder beschädigte Knochenzellen ab und ersetzen sie durch neue. Durch dein Training verstärkst du diesen Prozess.
Beim Sport ziehen sich deine Knochen, Muskeln und Sehnen ständig winzige, feine Risse zu. Diese kleinen Verletzungen signalisieren deinem Körper, dass er an diesen Stellen stärker werden muss. Auf diese Art baust du Kraft auf.
Zwischen deinen Trainingseinheiten repariert dein Körper diese Mikro-Risse. In dieser Remodellierungsphase werden verletzte Zellen beseitigt und neue Zellen gebildet.
Wenn du deinem Körper nicht genügend Zeit zum Erholen und Reparieren lässt, häufen sich diese Mikro-Risse. Dann bauen deine Knochen Zellen schneller ab, als der Körper sie ersetzen kann. Das führt zu einer Stressreaktion, die als Schienbeinkantensyndrom oder Shin Splints bekannt ist.
Woran erkennst du das Schienbeinkantensyndrom?
Bei einem echten Schienbeinkantensyndrom befindet sich an der Innenseite des Schienbeins ein mehr als 5 cm langer, empfindlicher oder schmerzender Bereich.
Die Schmerzen können verschieden stark ausgeprägt sein, und es kann auch zu leichten Schwellungen im Unterschenkel kommen.
Anfangs verschwinden die Schmerzen möglicherweise nach dem Training. Mit der Zeit halten sie jedoch immer länger an und können auch stärker werden.
Bergablaufen ist beim Schienbeinkantensyndrom in der Regel schmerzhafter als Bergauflaufen.
Können Schmerzen im Schienbein auch durch etwas anderes verursacht werden?
Schienbeinschmerzen können auch auf andere, schwerwiegendere Probleme hindeuten.
Ermüdungsbrüche oder belastungsbedingte Kompartmentsyndrome sind selten, sollen hier aber mit genannt werden, da sie bei zu später Behandlung ernsthafte Probleme verursachen können.
Typische Anzeichen für einen Ermüdungsbruch sind Schmerzen in einem klar definierten Bereich an der Vorderseite des Schienbeins (weniger als 5 cm lang), die auch bei Ruhe nicht verschwinden und den Nachtschlaf stören.
Das Kompartmentsyndrom verursacht dagegen Schmerzen, Brennen, Taubheit und Kribbeln in der Wade. Diese Symptome treten in der Regel nur während des Trainings auf und verschwinden danach binnen weniger Minuten.
Bei diesen Symptomen solltest du frühzeitig zum Arzt gehen.
Wichtig:
Was verursacht das Schienbeinkantensyndrom?
Die sogenannten Shin Splints treten häufig auf, wenn die Trainingsintensität steigt oder Trainingsroutine oder Untergrund plötzlich härter werden.
Die genaue Ursache des Schienbeinkantensyndroms ist noch nicht ganz geklärt. Es gibt jedoch typische Risikofaktoren
Dazu gehören:
- Höheres Körpergewicht oder eines zusätzliches Gewicht beim Laufen.
- „Plattfüße“ oder Überpronation (zu starkes Wegknicken) der Füße
- Ungeeignete Schuhe
- Fehlendes Aufwärmen oder Abkühlen
- Muskelungleichgewicht in Becken, Hüften und Fußgelenken
Alle diese Risikofaktoren haben eines gemeinsam: Durch sie wird das Schienbein stärker belastet und die Fußgelenkmuskulatur wird beim Laufen stärker beansprucht.
Intrinsische Risikofaktoren
Extrinsische Risikofaktoren
Wie wird das Schienbeinkantensyndrom behandelt?
In der Regel spricht ein Schienbeinkantensyndrom gut auf eine konservative Behandlung an.
Reha-Beginn
In der Anfangsphase der Reha ist es am wichtigsten, deine Schienbeinschmerzen zu lindern, indem du alles weglässt, was belastet. Schienbein und Muskeln sollten soweit es geht geschont werden, damit die geschädigte Stelle heilen kann.
In dieser Phase kannst du anfangen, die Muskeln in Fuß, Fußgelenk, Hüfte und Rumpf zu stärken. Dafür eignen sich Übungen, die deine Beine nicht zu stark belasten.
Hier findest du eine ausführliche Erklärung mit Übungsbeispielen.
Spätere Reha-Phasen
Sobald die Verletzung abgeklungen ist, solltest intensiver trainieren. Sinnvoll sind hier Pylo-Übungen, die Schnellkraft in den Wadenmuskeln aufbauen.
Du kannst auch vorsichtig wieder mit dem Lauftraining beginnen. Dazu solltest du deine Laufresistenz schrittweise aufbauen. Am Ende kommen Trainingseinheiten hinzu, die Intensität und Geschwindigkeit steigern, bis du dein Niveau vor der Verletzung wieder erreicht hast.
Wann du bereit bist für intensivere Übungen, ist nicht immer leicht zu erkennen.
Die beste Möglichkeit, das festzustellen, sind funktionale Tests. Das Behandlungsprogramm für das Schienbeinkantensyndrom-Programm in der Exakt Health App basiert genau darauf. Es gibt dir für jede Übung bestimmte Ziele vor. Durch Tests erkennst du, ob deine Verletzung schon weit genug verheilt ist, dass du zur nächsten Programmstufe übergehen kannst, ohne dich erneut zu verletzen.
Eine ausführliche Erklärung dieses Prozesses und der Ziele, die wir für den Übergang zur nächsten Stufe vorgeben, findest du hier.
Was hilft noch bei einem Schienbeinkantensyndrom?
- Kühlen (nie länger als 10 Minuten auf einmal) lindert Schmerzen und Entzündungen.
- Orthesen und Einlagen stützen das Fußgewölbe, verbessern die Körperhaltung und fördern die Bein- und Fußbewegung. So wird der Unterschenkel weniger stark belastet.
- Gesündere Ernährung sowie Kalzium- und Vitamin-D-Präparate können die Knochenheilung unterstützen.
- Crosstraining wie Schwimmen und Radfahren hält fit und schont deine Schienbeine.
Wie lange dauert mein Schienbeinkantensyndrom?
Das hängt davon ab, wie lange du schon Symptome hast.
Erholungszeit
Das Schienbeinkantensyndrom verheilt leider recht langsam. Je schneller du jedoch mit der richtigen Behandlung beginnst, desto schneller geht es.
Die Exakt Health App enthält einen detaillierten Reha-Plan zur Behandlung deines Schienbeinkantensyndroms und Alltagstipps für eine schnellere Heilung.
Wie kann ich dem Schienbeinkantensyndrom vorbeugen?
- Durch regelmäßiges Krafttraining bleiben deine Beine und dein Rumpf stark.
- Ein guter Laufstil schont Muskeln und Gelenke.
- Ein Trainingstagebuch hilft, den Überblick über hochintensive Trainingseinheiten und Ruhetage zu behalten, sodass dein Körper nicht überlastet wird.
- Bei „Plattfüßen“ oder Überpronation helfen feste Laufschuhe mit stützendem Fußbett. Sie stützen dein Fußgewölbe und schonen die Muskeln, die es kontrollieren.
- Nährstoffreiche, gesunde Ernährung, Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel (Kalzium und Vitamin D) unterstützen die Heilung von Knochen und Gewebe.
- Ausreichend Schlaf ist wichtig für die Heilung.
Tipps um Schienbeinkantensyndrom vorzubeugen
Zum Glück kann man das Schienbeinkantensyndrom in den meisten Fällen mit einer konservativen Behandlung aus Ruhe und Kraftübungen gut kurieren.
Nun weißt du, wie die gefürchteten Shin Splints entstehen und was du dagegen tun kannst. In einem nächsten Artikel erfährst du wie die Reha verläuft und welche Übungen helfen.